Jadu ist Anfang 30 und die Frau des Rostocker Rappers Marteria. Sie selbst ist ebenfalls Musikerin, aber ihr Stil könnte sich nicht mehr von dem ihres Mannes unterscheiden. In Uniform und mit Gitarre steht sie auf der Bühne und erschafft den, so selbst betitelten, Military Dreampop, der ziemlich düster daherkommt. Zuletzt wurde die Wahlberlinerin mit ihrer Single „Uniform“ stark in den sozialen Foren diskutiert. Am 4. April ist sie in Rostock.
Die ersten Töne erklingen über meine Kopfhörer, es sind noch etwa zehn Minuten bis mein Telefon klingeln wird. Um mich auf das Gespräch vorzubereiten, höre ich mir nochmal die Musik der Berliner Künstlerin Jadu an.
Aus schwarz und weiß mach eins. Kleiner Teufel ohne Heiligenschein. Gebor’n mit Morgenstern, Ketten um den Hals. Die Luft, die ich atme, schmeckt nach Salz. 1988, ich bin frei, kleines Mädchen aus dem Teutoburger Wald.
( Feldzug nach Berlin, Jadu, 2019)
Die Einstiegszeilen von Jadus Album „Nachricht vom Feind“ beschreiben die junge Frau nur kurz, geben jedoch wenigstens einen oberflächlichen Blick auf den Menschen hinter der Musik. Im Februar brachte die Musikerin ihr Debüt heraus und befindet sich seitdem auf Interview-Tour. Kaum ein großes Online-Magazin, das nicht über sie berichtet. Die Frau, die in Nazi-Uniform vor der Kamera kokettiert und mit dem Rostocker Rapper Marteria verheiratet ist. Zwei Gründe, die ihr wohl schon allein einen Platz in der Presse verschafft hätten, ein weit wichtigerer ist ihre Musik. Sie klingt düster und melancholisch. Kaum zu verdenken, dass ich zweimal hören musste, bevor ich mich auch den Texten hingegeben habe und sie hinterfrage. Während ich genau das versuche, beginnt mein Smartphone zu vibrieren. „Hallo, kannst du mich gut verstehen? Ich bin mit dem Auto kurz an den Rand gefahren.“ Jadu ist unterwegs irgendwo in Deutschland. Zum Zeitpunkt unseres Telefonats bereitete sie sich auf ihre Tour vor, die in Hamburg am 22. März gestartet ist und in Rostock enden wird.
Die zu erwartende Musik auf den Konzerten ist dabei schwer zu definieren. „Ich habe viele professionelle Musiker gefragt, in welche Schublade sie mich stecken würden und habe keine richtige Antwort bekommen. Also habe ich mein eigenes Genre erfunden.“, sagt Jadu Laciny, während Sie mit mir entspannt telefoniert. Ihr neues Genre setzt sich aus orchestralen Elementen, Pop, Electro und sphärischen Momenten zusammen – kurz: Military Dreampop. Ob das für jeden was ist? Wohl kaum. Sollte es aber auch nicht, weil Musik subjektiv ist. „Musik ist in unserer Gesellschaft zu einer Wegwerfware geworden und sollte in meinen Augen aufrütteln und zum Nachdenken anregen, mir fehlt manchmal der Facettenreichtum“, bedenkt Jadu. Das ihre Songs aufwecken, ist nicht von der Hand zu weisen. Frakturschrift auf ihrem Album und Merchandising-Artikeln, Songs über marschieren und Todesstreifen. Und so sind die Diskussionen, die man findet, weniger über die Arrangements und die Tonlage ihrer Stimme, als über die Inhalte und ihren Stil. Was passiert? Viele schauen doch eher oberflächlich auf sie und ihre Musik, eine Provokation an die Gesellschaft. „Eigentlich ist Jadu als Kunstobjekt eher als Beiprodukt entstanden. Es ist schon immer mein Stil gewesen im Military-Style rumzulaufen. Ich habe Marilyn Manson, Rammstein und Slipknot gehört und meine Schwester auch dazu gezwungen mit mir ihre Songs zu covern. Ich bin halt durch meine Einflüsse geprägt und die Kunstfigur, wie sie jetzt existiert, kann sich natürlich auch wieder ändern, dass wird die Zukunft zeigen.“
Musikalischer Weg: Von Rammstein zu Deserteur
Angefangen hat Jadu klassisch in der Garage mit ihrer Schwester, einer Gitarre und einem Schlagzeug. Ich höre ein Schmunzeln in ihrer Stimme, als sie sich an die Zeit zurück erinnert: „Sie war davon so genervt, dass ich sie immer gezwungen habe meine Lieblingssongs zu spielen. Sie hat es aber gemacht. Es war damals eine Art Hassliebe. Sie war unter anderem am Schlagzeug mit dem Hip-Hop-Musiker Chefket unterwegs. Ich habe da eine Zeitlang auch mitgespielt. Das war schon spannend – eine reine Frauenband und einzig der Rapper als Mann. Heute spielt sie bei Judith Holofernes.“ Auch für Jadu war Chefket nicht die Endstation. Die Instrumentalistin wollte ihr eigenes Ding machen und selbstbewusst mit ihrem Sound an die Öffentlichkeit. Doch so einfach wie anfänglich erwartet sollte es nicht werden. Ihre Musik kam bei den Agenturen nicht an und so gründetet sie ihre eigenes Label „Deserteur“, unter dem auch ihr Album erschien. „Ich war so ungeduldig. Im April 2017 hatte ich ja schon die Single ‚Treibjagd‘ veröffentlicht und wollte gern mehr. Die Demos waren damals auch soweit fertig, aber es ist noch so viel passiert. Der Sound hat sich nochmal stark verändert und ist von elektronischer hin zu handgemachten Musik gewandert. Es war eine schwere Geburt, aber nun ist ‚Nachricht vom Feind‘ endlich da“, stöhnt sie erleichtert auf. Vorproduziert hat sie ihren Erstling in den eigenen vier Wänden, ist nach eigener Aussage aber irgendwann an ihre Grenzen gestoßen und hat sich Hilfe bei dem Produzententeam von Marsimoto geholt. „Ben DMA hat mir vorwiegend unter die Arme gegriffen. Wäre er nicht gewesen, wäre mein Album wohl nicht so modern und viel rockiger geworden.“
Sirenen und Wagner: Blinde Liebe zu einem Tyrannen
Ihre Lieder muss man sich dabei mehrmals anhören, bevor man urteilt. Sie handeln von häuslicher Gewalt („Blitzkrieg“), ihrem eigenen Kampf mit der Gesellschaft („Feldzug nach Berlin“) und natürlich, wie es in vielen Songs auf unserer Welt der Fall ist, von Liebe („Sirenen und Wagner“). Und genau mit dem letzten Thema sorgt sie für Diskussionen. „Sirenen und Wagner“ zum Beispiel erzählt von der blinden Liebe Eva Brauns zu dem Diktator Adolf Hitler. „Ich behandle ja verschiedene Modelle von Liebe. Und mir war es einfach unklar, wie ein ganzes Volk einen solchen Tyrannen ‚anhimmeln‘ konnte. Eva Braun ist praktisch nur die eine Figur, die für die ganze damalige Bevölkerung steht. Und es soll bei weitem keine Verherrlichung sein, sondern eine inhaltliche Angabe aus der Geschichte. Ich habe mich schon immer viel mit Geschichte auseinandergesetzt und alles was ich in meinen Songs verwende, stammt aus Überlieferungen. Letztlich hätte es auch jede andere Figur aus der Geschichte sein können, die verblendet war.“ Jadu provoziert durch ihre Worte und das nicht ohne Grund. „Viele sehen was anderes in mir, als ich bin. Ich hatte selbst viel mit rassistischen Anfeindungen zu kämpfen und will mich von niemanden in eine Ecke drängen lassen. Über meine Musik gab und gibt es viele Diskussionen, nicht zuletzt auch mit meinem Mann Marten. Er ist ja schließlich auch Musiker und hat seine Meinung dazu.“
Rostocks Hauptmann, wie sie ihn selbst in einem ihrer Songs nennt, ist Marteria und seit sechs Jahren mit der Wahl-Berlinerin liiert. Einen musikalischen Einfluss hört man dem Album aber nicht an. „Insgesamt fällt es mir eher schwer fröhliche Songs zu schreiben. Für mich ist Musik Selbsttherapie. Ich bin ein lustiger und facettenreicher Mensch, aber ich schreibe selten Songs, wenn ich wirklich glücklich bin.“ Wenn ich ihr so zuhöre und mich an ihre Gesangsstimme in den Titeln erinnere, kommt mir eine, von der Stimmlage etwas höhere, Joy Denalane in den Sinn, allerdings ohne dabei große Wellen zu schlagen. „Ich habe ihre Stimme nicht und kann solche Ranges nicht abfeuern. Ich experimentiere gerne und mein Stil ist halt etwas ‚monotoner‘, wenn man das so sagen möchte.“ Wer jetzt denken sollte, monoton ist gleich langweilig, der sollte sich auf ihrem Konzert belehren lassen. Am 4. April ist sie mit ihren vier Musikern in Rostock. „Wir haben uns ein bisschen was ausgedacht und die Leute sollen einfach mal im M.A.U. – Club vorbei schauen. Rostock ist eine Super-Stadt und ich werde alles auf der Bühne geben. Ich war durch Marten schon so oft da. In Warnemünde am Strand oder bei Hansa Rostock im Stadion und deswegen freue ich mich schon riesig auf das Konzert.“