Drei Zimmer, Küche, Elefant: Tina Küchenmeister schreibt über ihre Kindheit im Rostocker Zoo

Wenn du in einer Wohnung im Rostocker Zoo aufwächst und dein Papa mit dir zum Geburtstag ins Elefantengehege geht, um deinen Freunden etwas Besonderes zu bieten, dann solltest du darüber ein Buch schreiben. Das hat sich auch Tina Küchenmeister gedacht. Die heutige Leipzigerin lebte in Australien und Neuseeland, reiste mit einem Wohnmobil durch Europa und schloss ihr Studium in Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig ab. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin und Podcastproduzentin. Ich habe mit ihr über ihr Buch „Drei Zimmer, Küche, Elefant“ gesprochen.

Die Kinos sind geschlossen und unser Freund aus den „Känguru-Chroniken“ revolutioniert mit einem frühzeitigen Online-Start wahrscheinlich den Cineastenmarkt. Die Buchmessen und -läden sind ebenfalls geschlossen. Eine Revolution gibt es aber nicht, sondern meist nur lange Autorengesichter, die ihre Werke zum Beispiel in Leipzig einem Publikum präsentieren wollten und dies nicht konnten. Eine von ihnen ist Tina Küchenmeister, die mit ihrem Buch „Drei Zimmer, Küche, Elefant“ zumindest eine kleine Lesung in ihrem Freundeskreis gemacht hat, bevor das kulturelle Leben still stand. Die heute 31-Jährige erzählt in ihrem Buch die Geschichte ihrer Familie und vor allem von ihrem Verhältnis zu ihrem Vater Jörg Küchenmeister, der als Elefantenpfleger im Rostocker Zoo arbeitete. Sie thematisiert auf sehr emotionale Weise, wie ein Tumor in seinem Kopf entdeckt wird und er nach zwischenzeitlicher Genesung am Ende des biographischen Romans verstirbt. Die Möglichkeit diesen traumatischen Einschnitt in ihrem Leben mit einem Buch zu verarbeiten, gab ihr der Edition Micheal Fischer Verlag aus München. Eine Lektorin des Hauses hatte ein Protokoll auf Zeit.de gelesen, welches die Geschichte von Tina in Kurz präsentierte. „Ich habe das gar nicht ernst genommen. Ich bin nach München gefahren und habe mich mit der Lektorin getroffen. Sie wollte, dass ich über mein Leben im Rostocker Zoo schreibe. Und wenn man so etwas auf einem Silbertablett serviert bekommt, nimmt man es an. Ich hatte Ambitionen und habe es aus der Kalten heraus angefangen.“

Jörg Küchenmeister (links) war Elefantenpfleger im Rostocker Zoo. Im Buch erzählt Tina unter anderem von einem Geburtstag mit ihren Freundinnen und dem Besuch im Gehege der Elefanten.

Entstanden ist ein Buch in zwei Teilen. Die erste Hälfte erzählt von Tinas Kindheit und ihrer Schwester Lisa, wie sie gemeinsam mit ihren Eltern in einer kleinen Wohnung auf dem Zoo-Gelände aufwachsen. Gespickt mit kleinen Abenteuern und viel kindlicher Empfindung. Ihr gegenüber steht der zweite sehr emotionale Teil. Dieser wird eingeleitet von der schweren Krankheit ihres Vaters Jörg. Diese entzweit zunächst die Familie bis sie sich am Ende neu wieder finden. Es ist eine Geschichte des Erkennens. Erkennen, dass die „Helden“ unserer Kindheit Menschen mit Fehlern sind, denen wir lernen müssen zu verzeihen.

Um ihre Geschichte aufzuschreiben, lieh sich Tina den alten Bus eines Freundes. „Ich brauchte es so schön wie möglich. War in Rostock, auf Rügen. Habe mich eingeigelt und versucht meine Gedanken zu ordnen. Ich habe so viele Türen in meinen Kopf geöffnet. Es war eine ganz besondere Zeit, als ich ganz frei mit dem Bus an der Ostsee unterwegs war. Für mich war auch von Anfang an klar, dass ich über die Kindheit im Zoo nur schreiben kann, wenn ich auch vom dem Tod meines Vaters erzähle. Die Trauer wurde dadurch nochmal viel präsenter. Ich hing lange an ihr fest und konnte der Sache dadurch ein Gegengewicht geben.“ Tinas Vater war bereits zwei Jahre tot, als sie 2019 mit dem Schreiben des Buches begann. „Es war auch total schön ihn damals als er krank war zu begleiten und dass er auch in der Zoo-Wohnung bis zum Ende bleiben durfte. Meine Stiefmutter und mein kleiner Bruder Simon leben bis heute da. Sie dürfen, solange Udo Nagel Direktor im Zoo ist, auf jeden Fall bleiben. Sie haben Duldungsrecht. Ich selbst habe mit den Jahren festgestellt, dass ich eher zu einem Vagabundenleben tendiere. Das Buch hat es aber nochmal verändert.“

Heute ist Tina in Leipzig zuhause und arbeitet als Podcastproduzentin, legt als Hip-Hop DJ auf Festivals und Partys auf und hat ihr Buch veröffentlicht in einer Zeit, die die Welt kulturell zum Stillstand gebracht hat. „Wir hören nicht auf zu arbeiten, aber es ist halt trotzdem gerade für alle schwierig. Wenn es Firmen nicht gut geht, streichen sie auch Marketing. Und meine Gigs als DJ sind komplett offen. Ich sollte auf der Fusion und dem Female Focus Festival auflegen. Wir werden sehen, wie es weiter geht.“

Ihre Schwester Lisa hingegen ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, was auch im Buch nachzulesen ist. Am ersten April hat sie im Rostocker Zoo wieder angefangen zu arbeiten. „Wir waren ein Jahr auseinander. In dem Buch liest man, wie wir uns entfernen und wieder zueinander finden durch unseren Papa. Die Geschichte mit ihm schweißt zusammen. Als sich unsere Eltern damals getrennt haben, ist sie irgendwann zu ihm und hat mit sechzehn eine Lehre im Zoo angefangen. Wir sind sehr unterschiedlich und je älter wir wurden, desto mehr haben wir uns auseinander entwickelt. Jetzt verstehen wir uns sehr gut. Es wird sich zeigen, wie sie damit umgeht, an dem Ort zu sein, wo er immer war. Deswegen war ich auch so gespannt, wie sie auf meine Geschichte reagieren würde. Meine Familie hat das fertige Buch zeitgleich mit der Lektorin bekommen. Über den Sommer, in dem ich geschrieben habe, hat es niemand gelesen. Es war sehr entblößend und alle stehen mit ihren Klarnamen drinnen. Da ist es nochmal aufregender zu sehen, wie sie reagieren. Meine Mutter, Schwester, Stiefmutter und meine Lektorin fanden es sehr schön. Meine Familie hat meinen Papa auch heraus lesen können. Es ist schön, ihm so ein Denkmal zu setzen.“

Tina ist bedingt durch ihren Bruder und ihre Stiefmutter regelmäßig im Zoo, hat aber mittlerweile eine andere Bindung. Auch wenn es keine Elefanten mehr gibt, spaziert sie noch immer die Wege entlang und ist einfach da. „Ich denke, dass es im Sommer im Zoo eine Lesung geben wird. Ich hatte auch Kontakt zur anderen Buchhandlung, also es war schon einiges in der Pipeline. Aber auch hier müssen wir einfach abwarten.“

Antje Benda

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