Der Artikel erschien in der November Ausgabe des 0381-Magazins von 2016
Die Geschwister Eva und Philipp Milner sind in Rostock kein unbekanntes Blatt. Es gehört zum guten Ton alle zwei Jahre auf die Konzerte von Hundreds zu gehen und den Hamburgern bei ihrer musikalischen Reise auf die Finger zu schauen. Am 4. November veröffentlichen sie nach ihrem Werk „Tame the Noise“ ihren neuen Longplayer „Wilderness“ und stoßen damit ihre Hörer weg aus dem „0815-Popschema“. Am 5. November treten sie zudem im Peter-Weiss-Haus in Rostock auf.
Ihr ward das letzte Mal 2014 in Rostock und habt Eure „Tame The Noise“ Tour gespielt. Was habt ihr seitdem getrieben?
Eva: Im Frühjahr letzten Jahres bauten wir im Haus von Philipp ein eigenes Studio auf, dies liegt im Wendland (Niedersachsen) und dort sind wir direkt hin. Es ist kein Studio im klassischen Sinne, mit Wand und Glasscheibe, sondern einfach ein schöner großer Raum, in dem wir arbeiten und proben können. Letzten August verschickten wir dann erst die 500 „Tame the Noise“ Platten und fingen währenddessen an, die ersten Songs zu schreiben. War im Prinzip ein fließender Übergang. Wir überlegten, wo wir musikalisch hin wollten und beschlossen uns zu verändern und Kunst zu machen. Wir fingen mit massiven Beats an und Melodien, die wahrscheinlich nicht jedem so leicht ins Ohr gehen. Wir wollten unseren eigen Anspruch erfüllen und uns etwas trauen. Die klassischen Popstrukturen haben wir weggeschoben und Songs geschaffen, welche genau diese aufbrechen. „What Remains“ und „Wilderness“ stehen dafür ein.
Wer das Album das erste Mal hört und die Musik von Hundreds kennt, wird verwirrt sein. Doch ich kann versprechen im positiven Sinne. Catchy Melodien treffen auf die neue Wildheit und schlagen eine Brücke zu ihren leichtfüßigen Popsongs. Schocker wie „Unfolded“ lassen zunächst die Handschrift der Musiker nicht erkennen, doch packen einen sofort. Mit „Wilderness“ trifft die altgriechische Tragödie, welche im „Bearer and Dancer“ thematisiert wird, auf die philosophische Frage des menschlichen Handels. Hundreds erfinden sich neu und bleiben doch sie selbst.
Als Vorabteaser zu „Wilderness“ erschien im Mai der Song „What Remains“. Ich würde fast behaupten, er vereint das gesamte Album in sich?!
Eva: Ja, doch das stimmt schon. Ich habe immer meine eigene Welt betextet und bin nun vom persönlichen zu anderen Themen gegangen. Somit kann man sagen, dass „What Remains“ das Album thematisch widerspiegelt. Es geht letztlich darum, welchen Weg die Menschheit beschreiten wird. Was passiert gerade? Was machen wir? Das habe ich versucht ein bisschen philosophisch zu verarbeiten. Und „What Remains“ ist der erste Gedanke, welcher das zum Ausdruck bringt.
2014 spielten die Geschwister in der Heiligen-Geist-Kirche in Rostock. Davor waren sie schon 2010 auf der Stubnitz (als sie noch im Stadthafen lag) und feierten ihre musikalischen Anfänge. Ihre Konzerte sind stets etwas Besonderes und werden durch visuellen Lichteffekte unterstützt, welche mit der Musik treiben und sie zugleich anschieben.
Am 5.11. tretet ihr im Peter-Weiss-Haus auf, warum nehmt ihr im Vergleich zu früher, eine doch eher „normale“ Location?
Eva: Wir haben da schon mal gespielt und einfach an die vielen Menschen gedacht. Die Produktionsbedingungen sind auch ein bisschen größer mit Licht und Visuals und benötigen eine hohe Decke. Es soll zudem Clubatmosphäre herrschen, weil es insgesamt tanzbarer wird. Wer unser, ich sag mal, „Techno Set“ kennt, für den verändert sich aber nicht so viel. Wir haben natürlich ein paar neue Instrumente, Effekte und einen guten Lichtmann dabei, der die Show steuert, aber soviel ist nicht anders. „Tame the Noise“ war ein Akustik Set und hat besser in die Kirche gepasst. „Wilderness“ findet sein Platz nun im Peter-Weiss-Haus.
Hundreds, eine Band die musikalisch auf Anspruch und Tiefgang setzt und sich mit jedem Konzert neu definiert. Ihr Musik liegt aktuell irgendwo zwischen elektronischen Beats, skurrilen Effekten und poppigen Melodien. Eine Tanzempfehlung für jeden Liebhaber gepflegter Unterhaltungsabende.
Antje Benda